Galopp mit der Vodkaflasche
Die improvisierten Bremsen scheinen zu funktionieren und wir fahren zügig weiter nach Naryn, in den Südosten des Landes. In einem Guesthouse holen wir den auf Garantie bestellten Heizstab für unseren Boiler ab und nehmen auch sonst noch ein paar Wartungsarbeiten an unserem Büssli vor. Viel Zeit verbringen wir aber auch mit den Vorbereitungen für den anstehenden Grenzübertritt. Auf Foren haben wir von Touristen gelesen, welche Handy, Laptop und Kamera an der Grenze abgeben mussten. Jegliche Fotos und Daten wurden inspiziert und eine Spionagesoftware auf den Geräten installiert. Einen solche einschneidenden Eingriff in unsere Privatsphäre möchten wir unbedingt verhindern. Entsprechend verschlüsseln wir all unsere Daten und laden diese auf einen externen Server. Die Handys setzten wir auf Werkeinstellungen zurück. Auch wenn wir nichts zu verbergen haben, den chinesischen Grenzbeamten wollen wir keine Daten zuspielen.
Die Vorbereitungen für China nehmen viel Zeit ein. Und doch möchten wir die beindruckenden Landschaften Kirgistans nochmals bewusst geniessen können. Da uns der Pferdetrekking in Arslanbob unglaublich gut gefallen hat, organisieren wir eine weitere Tagestour nahe Naryn. Ein lokaler Guide kennt die schönsten Orte. Und so passieren wir halbwilde Yak- und Pferdeherden, erklimmen die aussichtsreichsten Hügel und galoppieren durch breite Flusstäler. Mittagessen oder Wasser hat Ula, unser Guide, nicht dabei. Stattdessen versteckt er unter seiner Jacke eine grosse Vodkaflasche, welche sich bis zum Ende der Tour allmählich leert. Reiten wir an einer einfachen Hirtenhütte vorbei, legen wir eine Pause ein. Ula scheint alle zu kenne, weshalb wir gleich zweimal zum Tee eingeladen werden und neben der Natur unverfälschte Einblicke in das Alltagsleben der Menschen hier erhalten.
Ursprünglich lebte ein Grossteil der Kirgisen nomadisch. Während der Sowjetzeit wurden die Leute zwangsangesiedelt. Heute führt ein Teil der Bevölkerung wieder ein halbnomadisches Leben. Im Sommer ziehen sie mit ihren Tieren in die Berge, wo sie in einfachen Jurten leben. Im Herbst kehren sie zurück in die Siedlungen, wo sie den Winter verbringen.
Nach einem Tag auf dem Pferd schlafen wir wunderbar. Weniger schön ist das Erwachen am nächsten Morgen: Wasser tropft von unserer Decke! Wohl oder übel demontieren wir das schöne Holztäfer, um der Ursache des Übels auf die Spur zu kommen. Unsere Vermutung wird bestätigt: Die isolierenden Armaflex-Matten haben sich zum Teil von der Decke abgelöst. Hätten wir sie nicht bei der Kälte im Januar verbauen dürfen? Jedenfalls kondensiert die feuchte Luft nun an der Decke und es sammelt sich Wasser an. Doch wo finden wir hier auf die Schnelle einen guten Montagekleber? In einem chaotischen Bauladen in Naryn kaufen wir einen einigermassen überzeugenden Zweikomponenten-Leim und machen uns an die Arbeit. Stunden später klebt nicht nur die Isolierung an der Decke, sondern auch viel Leim an unseren Händen. Das Täfer ist wieder montiert. Hoffentlich zum letzten Mal auf dieser Reise.
Doch der nächste Schock lässt nicht lange auf sich warten. Nachdem wir am späten Nachmittag endlich weiterfahren, um heute Abend noch möglichst nahe an die chinesische Grenze zu kommen (morgen um 9:00 Uhr wartet unser chinesischer Guide für den Grenzübertritt), poppt plötzlich das nächste Warnlicht auf: «Fehler: AdBlue. Kein Motorstart in 1000km». Der Countdown bis zum Stillstand läuft.
Fortsetzung folgt…