Grenzerfahrungen
Vor unserer Fahrt durch Russland sind wir etwas nervös. Gerne wären wir über Aserbaidschan und das Kaspische Meer nach Kasachstan gereist. Seit der Covid-Pandemie sind jedoch die Landesgrenzen von Aserbaidschan (immer noch) geschlossen, und eine Einreise für Touristen ist nur via Flugzeug möglich.
Wir suchen eine Alternative und finden als einzige Optionen zwei Routen, welche durch Russland führen. Entweder fahren wir auf einer Hauptstrasse durch die autonomen Gebiete Inguschetien, Tschetschenien und Dagestan, oder über kleinere Strassen um diese nicht ganz ungefährlichen Gebiete herum. Von anderen Reisenden hören wir, dass sie die autonomen Gebiete, abgesehen von ein paar Checkpoints, problemlos passieren konnten. Als wir dann noch lesen, dass die Polizei auf der Umfahrungs-Route teils hohe Bussen an Touristen verteilt (bspw. unerlaubtes Betreten einer Stadt), steht unser Entschluss fest. Wir fahren durch die autonomen Gebiete.
Um keine Aufmerksamkeit zu erzeugen und möglichst weit zu kommen, legen wir in den autonomen Gebieten keinen einzigen Stopp ein. Beinahe alles passiert im fahrenden Auto - vom Mittagessen bis zum Toilettengang. Wir werden nur zwei Mal an Checkpoints kurz angehalten, aber an Touristen haben die Polizisten kaum Interesse. Wie den anderen Reisenden vor uns, geht alles problemlos und am Abend schlafen wir entspannt in einem Hotel kurz vor der Grenze zu Kasachstan. Zu einem anderen Zeitpunkt wäre es sicherlich toll gewesen, mehr Zeit in Dagestan zu verbringen, das sich immer mehr öffnet.
Mit dem Grenzübertritt am nächsten Tag wechselt auch der Zustand der Strassen. Während wir in Russland relativ zügig auf gut geteerten Wegen unterwegs waren, holpern wir nach der Grenze noch mit 20km/h durch die Landschaft. Trotz gedrosselter Geschwindigkeit und dem Versuch möglichst viele der unzähligen Schlaglöcher zu umfahren, rumpelt und rattert es, dass wir um das Innenleben unseres Büssli fürchten. Erstaunlicherweise hält der Innenausbau der kriminellen Strecke stand und wir erreichen wieder besser unterhaltene Strassenabschnitte, auf denen wir entspannen und die unglaublichen Weiten Kasachstans auf uns wirken lassen können. Beinahe endlos erstreckt sich die karge, flache Landschaft in alle Richtungen bis zum Horizont. Menschen gibt es nur wenige. Stattdessen begegnen wir Pferden, Ziegen und Kamelen, welche zwischen den ausgetrockneten Büschen nach Gräsern suchen.
Da wir die bekannten Oasenstädte Usbekistans besuchen möchten, führt uns nur eine kurze Strecke durch Kasachstan. Nach vier Tagen endloser Steppen sind wir um 15:00 Uhr an der Grenze. Dies sollte mehr als genug Zeit sein, um noch bei Tageslicht einzureisen. Wir werden eines besseren belehrt. Auch an dieser Grenze werden wir, wie häufig, getrennt (Fahrer und Beifahrer), und Janosch als Fahrzeugeigentümer, darf sich um die Zollformalitäten kümmern. Der Spiessrutenlauf ist häufig derselbe: bei der Ankunft gibt es einen Laufzettel mit vielen Feldern, die nach und nach durch verschiedene Posten abgestempelt werden müssen. Was der Zweck der jeweiligen Posten ist, bleibt uns teils gänzlich unerschlossen. Sind dann alle Stempel beisammen, darf man die Grenze passieren. Diese Posten sind quer über das Grenzareal und dessen weitläufige Gebäude verteilt, so dass es sich anfühlt wie bei einem Orientierungslauf, einfach ohne Karte. Grenzbeamte oder andere Reisende weisen einen immer mal wieder in die richtige Richtung. Insgesamt verbringen wir gut sechs Stunden mit der Ein- und Ausreise, wobei wir die meiste Zeit darauf warten, bis die usbekische Grenze wieder öffnet. Es schien, als hätten die Beamten eine Pause eingelegt - bis wir danach erfahren, dass sie Internetprobleme hatten. Auch hier: ohne Internet geht nichts mehr, denn die Grenzbeamten können die Einreise-Formulare nur noch online ausfüllen.