Om Mani Padme Hum

Nepal •

Nach spannenden, aber anstrengenden Tagen in Nepals chaotischer Hauptstadt, sehnen wir uns nach Natur und Bewegung. Als wir von einem Klettergebiet ausserhalb von Kathmandu lesen, sind unsere Pläne gemacht. In Dollu, einem sympathischen Dorf, finden wir einen schönen Übernachtungsort, wo wir uns für die nächsten Tage einquartieren. Auf ausgedehnten Spaziergängen erkunden wir die umliegenden Hügel mit atemberaubender Aussicht und staunen aus der Vogelperspektive über die Ausdehnung der Grossmetropole Kathmandu. Vor allem aber freuen wir uns darauf, endlich wieder einmal Fels unter den Fingern zu spüren. Doch wir sind nicht alleine! Da gerade ein Klettereinführungskurs für angehende nepalesische Bergführer stattfindet, wird es ganz schön eng an der Wand. Spass macht es trotzdem und dank Tipps lokaler Bergführer erfahren wir, wo es weitere tolle Gebiete zu entdecken gibt.

Auf der Weiterfahrt nach Pokhara legen wir einen Zwischenstopp in Bimal Nagar ein. Die Bergführer haben uns von diesem Klettergebiet vorgeschwärmt, welches relativ neu erschlossen wurde. Die Geschmäcker scheinen unterschiedlich zu sein. Der Fels ist schön, liegt aber direkt an einer stark befahrenen Hauptstrasse. Da wir keine Lust haben, viel Zeit an einer staubigen, lauten Strasse zu verbringen, fahren wir weiter und finden einen idyllischen Übernachtungsplatz direkt am Fluss. Viele Touristen scheinen sich nicht an diesen Ort zu verirren und so bekommen wir immer wieder Besuch von vorbeiwandernden Ziegenhirten oder neugierigen Jugendlichen aus dem angrenzenden hinduistischen Kloster.

Nach erholsamen Tagen am Fluss besuchen wir das auf einem Hügel liegende Newar-Städtchen Bandipur. Die charmante Altstadt, die tolle Aussicht und die umliegenden Wälder laden zum Verweilen ein. Leider aber meldet sich Nadines Zahn zurück. Seit sie vor der Abreise im Frühling ein kleines Loch flicken musste, ist der Zahnnerv gereizt. Bis jetzt war der Schmerz dezent, sodass sie ihn gut ignorieren konnte. Seit ein paar Tagen wird der Schmerz jedoch immerintensiver und auch starke Medikamente können ihn nicht mehr lindern. Was tun? Telefonate mit der Schweizer Zahnärztin führen zum Schluss, dass eine Wurzelbehandlung unumgänglich ist. Schnellstmöglich fahren wir nach Pokhara, der zweitgrössten Stadt Nepals, wo wir eine gute Praxis suchen. Die erste verlassen wir gleich wieder, als wir das schmuddelige Behandlungszimmer entdecken. Zum Glück finden wir eine Zahnklinik, welche mehr Vertrauen erweckt und Nadine beschliesst, immerhin den ersten Schritt der Wurzelbehandlung (Entfernung des Nervs) hier machen zu lassen. Leider hat die Spezialistin erst am nächsten Tag Zeit und Nadine verbringt die wohl schlimmsten 30 Stunden ihres Lebens. Trotz starken Schmerzmitteln schläft sie diese Nacht keine Minute, sondern klammert sich heulend an den inzwischen ebenfalls verzweifelten Janosch. Um 16:00 Uhr endlich liegt sie auf dem Zahnarztsessel der Kantipur Dental Clinic und das Leiden nimmt ein Ende.

Eigentlich hätten wir als nächstes einen längeren Trekking im Annapurna-Gebirge machen wollen. Um bei allfälligen Komplikationen in der Nähe der Zahnklinik zu sein, beschliessen wir länger in Pokhara zu bleiben. Seit unserem Aufenthalt in Tibet ist die Idee gewachsen, in einem tibetischen Kloster mehr über die buddhistischen Lehren und die Kunst der Meditation zu lernen. Ein Kloster zu finden, welches Kurse für Touristen anbietet, stellt sich aber als schwierig heraus und so entscheiden wir uns dazu, stattdessen einen achttägigen Yoga-Retreat zu besuchen. Janosch, der sich bis anhin kaum für Yoga interessiert hat, ist erst skeptisch. Schnell aber erfahren wir, dass Yoga viel mehr ist, als das Aneinanderreihen von Posen. Wir lernen, Körper und Atem zu kontrollieren, uns besser zu fokussieren und Bewegungen ganz bewusst zu machen. “Beweglichkeit ist im Yoga egal”, wiederholt unser Lehrer Mahesh, “Diese kommt mit der Zeit von selbst. Wichtig ist, dass ihr lernt zu fokussieren, um euch vorzubereiten auf die wichtigste Disziplin, die Meditation.”

Wir singen Mantras, lassen uns von Klangschalen in andere Sphären tragen, meditieren im Kerzenschein und tanzen energievoll zu den Rythmen von Djembe und Harmonium. Zu spirituellen Gurus haben wir uns in diesen Tagen nicht entwickelt, keine Angst! Gelernt aber haben wir unglaublich viel. Und ein direkter Effekt: dank Körperbeherrschung kann Janosch am Ende des Retreats sogar problemlos 10 Minuten unter der kalten Dusche stehen 😉