Pamir Highway
Um weiter nach Kirgistan zu reisen, gibt es eine wunderschöne Gebirgsstrasse, die die beiden Länder verbindet. Der Pamir Highway entstand ursprünglich als Seitenarm der Seidenstrasse. Im 20. Jahrhundert wurde er zu einer Nationalstrasse ausgebaut und verbindet heute vier Länder. Der grösste Teil liegt in Tadschikistan und durchquert das Pamir-Gebirge, über Pässe, die bis zu 4’655 müM hoch sind. Die Bezeichnung “Highway” kann dabei eher wortwörtlich genommen werden, als als Synonym zu “Autobahn”. Ein grosser Teil der Strasse ist durch Erdbeben, Erdrutsche oder Lawinen stark beschädigt. Selbst die geteerten Strecken sind oft verwüstet und mit Schlaglöchern übersät.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurden die Grenzverläufe teils nicht einvernehmlich definiert. So auch im Pamir-Gebirge zwischen Tadschikistan und Kirgistan, wo es das letzte Mal im Herbst 2022 zu Auseinandersetzungen kam. So blieb der Grenzübergang auch nach der Corona-Pandemie geschlossen. Zu unserem Glück, öffnete er vor zwei Monaten und eine Überquerung für Touristen ist wieder erlaubt.
Mit viel Vorfreude, Essensvorrat und zwei randvollen Dieselkanistern, starten wir in Duschanbe auf den entlegenen Highway. Ein kurzer Umweg durch das wunderschöne Childukhtaronsky Naturreservat ist lohnend und wir verbringen die Nacht neben Schafen und deren Hirten. Da der nächste Teil über hunderte Kilometer entlang der afghanischen Grenze führt, fahren wir mit gemischten Gefühlen los. Durch ein wunderschönes, tiefes Tal schlängelt sich der Grenzfluss, und sowohl auf der tadschikischen wie afghanischen Seite, hat es eine Strasse. Alle paar Kilometer kommt man an grünen Ortschaften (Oasen, wie wir sie nennen) vorbei, welche durch hohe Pappeln einen prachtvollen Kontrast in der sonst eher kargen Landschaft bilden. Da das Tal beidseitig bewohnt ist, kann man sogar der afghanischen Bevölkerung zuwinken. Einzig die Schiessscharten und patrouillierenden Soldaten deuten auf eine wohl nicht gefahrlose Zone hin.
Anstelle von Hotels ist in Tadschikistan das Konzept “Community Based Tourism (CBT)” verbreitet. Viele Familien bieten sogenannte “homestays”, Zimmer inklusive Verpflegung, an. Dies bildet eine willkommene Einnahmequelle für die Einheimischen sowie interessante Einblicke für Touristen. Neugierig auf das Leben hier, verbringen wir immer mal wieder eine Nacht in einem typischen “Pamiri-Haus” und machen tolle Bekanntschaften. Das Leben in den entlegenen Dörfern und grossen Höhen ist jedoch hart und die Hoffnung vieler jungen Leute ist es, in die Hauptstadt oder ein anderes Land zu ziehen.
Highlight für uns sind die Hochplateaus mit grossen Seen und weiten Landschaften mitten im Pamir-Gebirge. Am ersten Morgen auf einem solchen Hochplateau auf 4’000 müM kommen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. Direkt um unser Büssli grast eine riesige Yak-Herde, auf dem See davor schwimmen hunderte Enten, Vögel zwitschern und die Sonne ist gerade am aufgehen. Erst nach zwei Stunden beobachten, geniessen und fotografieren, denken wir wieder daran, dass wir eigentlich frühstücken wollten.
Eine junge, wilde Hündin gesellt sich ganz unterwürfig zu uns. Sie ist unterernährt und friert. Wir nehmen uns ihr an, geben ihr zu Essen und lassen sie zum Aufwärmen in unser Büssli. Sichtlich gestärkt begleitet sie uns auf der Tageswanderung über Stock und Stein, durch Flüsse und Wiesen. Plötzlich ist Nadine total aus dem Häuschen und Janosch soll sofort das Tele-Objektiv hervornehmen. Etwas verwirrt folgt Janosch dem Befehl und es reicht noch knapp für ein Beweisfoto: ein Bär! Sichtlich aufgeschreckt rennt er den Hügel hoch und beobachtet uns kurz von dort, bevor er ganz verschwindet. Was für ein fulminanter Morgen! Für die Mittagspause haben wir extra Reis gekocht, damit Hündin Bibi-Fatima, wie wir sie jetzt nennen, sich auch stärken kann. Wir bauen sehr schnell eine starke Bindung zu ihr auf und fällen den Entscheid, sie ins nächste Dorf mitzunehmen. Den eisigen Winter würde sie in der Wildnis wohl nicht überleben. Im Dorf ist sie bald die Attraktion bei den Kleinkindern, die eher unzimperlich mit ihr umgehen. Die vielen streunenden, wohlgenährten Hunde lassen uns hoffen, dass sie hier aufgenommen und versorgt wird. Trotzdem sind wir sehr traurig sie einfach zurückzulassen, nachdem wir sie gerade so ins Herz geschlossen haben.
Der weitere Weg über den Highway bis nach Kirgistan führt durch ähnlich atemberaubende Landschaften. Da die Luft hier oben sehr dünn ist, freuen wir uns dennoch, die Hochplateaus wieder zu verlassen. Selbst eine Wanderung auf einen 400 Meter hohen Hügel ist anstrengend und in der Nacht haben wir teils das Gefühl, zu wenig Sauerstoff zum Atmen zu haben. Einzig unser Crafter ist sichtlich unbeeindruckt von der Höhe. Bis auf etwas Leistungsminderung fährt er sich wie eh und je. Eine gute Entscheidung war wohl, dass wir den Dieselpartikelfilter ausbauen liessen. Das hat zwar viele Nerven gekostet und den Start unserer Reise verzögert, dafür mussten wir hier oben nicht abgeschleppt werden, so wie es leider anderen Reisenden erging. So sind wir frohen Mutes, dass wir und unser Büssli es auch durch den Himalaya (Strassen bis 5’300 müM) schaffen werden.