Türkische Gastfreundschaft
Der Hitze in den Bergen entfliehen und dabei Klettern und Bergsteigen, so haben wir uns den Osten der Türkei vorgestellt. Dass dem nicht so ist, merken wir erst, als wir losfahren und ein Ziel im Navi eingeben wollen. Nach einiger Recherche stellen wir fest, dass es im Osten klettertechnisch nur wenige interessante Berge gibt und die meisten davon nur mit Führer bestiegen werden dürfen. Stattdessen stossen wir nur wenig südlich von Kappadokien auf das vielversprechende Taurusgebirge. Im Winter gibt es hier unzählige Möglichkeiten für Skitouren, im Sommer locken viele Kletter-, MTB- und Trekkingrouten.
Dank iOverlander, einer App, auf welcher Reisende gute Übernachtungsplätze teilen, nächtigen wir an einem kleinen Bach im sonst ausgetrockneten Hochgebirge. Dass dieser Platz auch beliebt ist bei den Einheimischen, verwundert wenig. Kaum angekommen, werden wir, nach traditionellem mehrmaligem Ablehnen, zu Çay und Baklava eingeladen. Einmal mehr sind wir überrascht von der Gastfreundschaft, die uns die Menschen in der Türkei entgegenbringen. Am nächsten Morgen kommt eine weitere Familie zum Picknick vorbei. Unseren frisch gebackenen Zopf geniessen? Fehlanzeige! Es wird unglaublich viel und feines Essen vorbeigebracht, wobei Ablehnen wenig hilft. Wir verbringen einen ganzen Tag am Fluss und fühlen uns wie in einem Hotel mit Vollpension. Nach dem reichhaltigen Frühstück folgt eine Mittagstafel mit Fleisch vom Grill und diversen Salaten.
Die unglaubliche Gastfreundschaft begleitet uns durch die ganze Türkei. Beim Wassertanken am Brunnen werden wir mit frisch gelesenen Kirschen beschenkt und im Stadtpark erneut zu Çay und Baklava eingeladen. Egal wo wir auftauchen, die Leute wollen uns helfen. So auch, als wir den neu gekauften Unterbodenschutz montieren möchten. Alleine in den Bettongraben steigen und in Ruhe etwas rumschrauben? Nicht in der Türkei! Sofort kommen mehrere Männer herbeigeeilt und beginnen am Auto zu basteln, bevor sie überhaupt wissen, was wir eigentlich vorhatten. Ein Geldschein als Dank wird vehement abgelehnt. Stattdessen gibt es erneut frische Früchte. Ein Gastgeschenk.
Zeynep Tantekin Ince & Recep Ince haben vor 20 Jahren Istanbul verlassen, um ihrem Hobby nachzugehen und unzählige Kletterrouten zu schrauben. Von ihnen stammt auch der einzige Kletterführer im Aladaglar Nationalpark, welcher die Routen an den Kalk- und Konglomeratfelsen beschreibt. Wir müssen uns erst an den Kletterstil mit leicht überhängenden Routen und vielen Löchern gewöhnen. So vergnügen wir uns die ersten zwei Tage im Klettergarten im Kazikliali-Canyon, als Vorbereitung für eine Mehrseillänge auf einen der Türme im Nationalpark. Wie es das Schicksal will, leidet Janosch an diesem Tag an einer Magenverstimmung und säubert sich von innen heraus. So verzichten wir schweren Herzens auf die alpine Kletterei und fahren weiter in Richtung des grössten Sees der Türkei.
Der Van ist ein Endsee, also ein See ohne Abfluss. Während der Schneeschmelze wird viel Wasser eingetragen, welches im Sommer langsam verdunstet. So sammeln sich immer mehr Mineralien und Salz im See an, was wohl auch der Grund für das komische, leicht seifige Gefühl des Wassers auf der Haut ist. Aufgrund seiner Grösse, siebenmal so gross wie der Bodensee, fühlen wir uns ans Meer zurückversetzt.
Nach einer etwas mulmig anmutenden Fahrt entlang einer abgeriegelten iranischen Grenze mit etlichen Militärstützpunkten, gelangen wir nach Doğubeyazıt. Leicht oberhalb der Stadt thront der bekannte Ishak-Pascha-Palast, welcher sich ein osmanischer Emir im 18. Jh. erbauen liess. Kaum einen Steinwurf entfernt, eröffnet sich uns die Sicht auf die nächste Superlative: den Ararat. Der Vulkan ist mit seinen 5’137 m ü. M. der höchste Berg der Türkei. Leider darf auch er nicht ohne Führer erklommen werden. Grund dafür ist wohl weniger die Schwierigkeit, sondern die politische Lage, erheben doch auch Armenien und der Iran Anspruch auf den heiligen Berg. So geniessen wir den Ararat von unten, wo wir eine an seinem Fusse eine windige Nacht im Vulkansand verbringen.